1. Was ist der Digitale Lebensrückblick?

Bei dem hier beschriebenen Digitalen Lebensrückblick gehen Sie in mehreren Abschnitten persönliche Ereignisse und Lebensphasen gedanklich durch und halten Sie schriftlich fest. Anhand von vorgegebenen Fragen, aber auch mit Hilfe Ihrer eigenen Fotos, wird Ihre Erinnerung an bestimmte Lebensabschnitte und Lebensthemen geweckt.

Die Themen lassen sich der Kindheit, der Jugend, dem frühen und mittlerem Erwachsenenalter, dem spätem Erwachsenenalter und der Gegenwart zuordnen. Zu jedem Abschnitt können Sie anhand vorgegebener Fragen einen eigenen Text formulieren und Fotos hinzufügen. Die Texte und Fotos werden Ihnen nach dem Speichern in einem Zeitstrahl abgebildet. Als Ergebnis erhalten Sie eine durch Jahreszahlen strukturierte, ggf. mit Bildern ergänzte und schriftlich erfasste Biografie Ihres Lebens in digitaler oder in gedruckter Form.    

2. Wofür die Geschichten neu erinnern?

Das Erinnern und Erzählen der eigenen Lebensgeschichte ist eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der persönlichen Identität. Beim Erinnern kann sich die Perspektive auf einzelne Lebensereignisse und manchmal auch auf die eigene Person weiterentwickeln.

Ganz allgemein betrachtet bewirkt das Erinnern eine Aktivierung. Dabei sind positive wie negative Erinnerungen gleichermaßen wertvoll. Beim Erinnern positiver Ereignisse werden vergangene Freuden wiedererlebt. Das Erinnern schmerzvoller Erlebnisse hilft bei dem Annehmen und Eingliedern dieser in die eigene Lebensgeschichte. Gesunde wie auch frühdemente Personen freuen sich außerdem über Erfolgserlebnisse beim Sich-erinnern.

3. Für wen?

  • Für Personen ab ca. 65 Jahren
  • Für Personen die sich in einer strukturierten Form an das Vergangene erinnern möchten
  • Ergänzend zur Biografiearbeit in der Altenarbeit (Senioreneinrichtungen, freie Träger etc.)

4. Was ist zu beachten, wenn Sie den Digitalen Lebensrückblick allein durchführen?

Bestimmte Ereignisse sind mit starken negativen Gefühlen verbunden. Möglicherweise zögern Sie bei einigen Fragen und beantworten diese nicht so detailliert wie andere. Dennoch kann es sinnvoll sein, über solche kritischen Lebensereignisse wiederholt nachzudenken und sich daran zu erinnern. Eine Beschäftigung mit kritischen als auch positiven Ereignissen kann für die Verarbeitung und Annahme in Ihre eigene Biographie förderlich sein und ist deshalb ein zentraler Aspekt des Lebensrückblicks. Es ist hilfreich, wenn Sie sich an genaue Beispiele und Details erinnern. Auch zwischen den Sitzungen kann eine weitere Verarbeitung der angesprochenen kritischen Lebensereignisse bei Ihnen stattfinden. Daher können Sie auch jederzeit Ihre Antworten zu einer Frage verändern oder ergänzen. Versuchen Sie in allen Themenbereichen, wichtige Ereignisse in Ihren Lebenslauf einzuordnen. Dies ist besonders wichtig bei Ereignissen, die Sie mit starken Emotionen verbinden. 

5. Lebensrückblick im Gespräch (Anmerkungen für Gesprächsführer)

Oft ist es hilfreich, ein Gegenüber und einen Zuhörer oder eine Zuhörerin zu haben, die die Geschichten interessiert und empathisch miterlebt sowie aktiv eine eigene, wertschätzende Perspektive gegenüber dem Erlebten einnimmt. Manchmal braucht es nur eine anders gestellte Frage, um Ereignisse neu bewerten und einordnen zu können. Mit den Fragen im Digitalen Lebensrückblick lassen sich gezielt persönliche Lebensgeschichten aktivieren und aus einer neuen, veränderten Perspektive wahrnehmen.

Wenn Sie die Lebensgeschichte eines anderen Menschen teilen möchten, sollten Sie einige Punkte beachten. Im Folgenden sind die zentralen Aspekte für Sie als Gesprächspartner zusammengefasst:  

 

Gesprächstechniken:

Wiederholungsfragen: Bestimmte Ereignisse sind mit starken negativen Gefühlen belegt. Dennoch kann es angebracht sein, bei solchen kritischen Lebensereignissen nachzufragen. Ein detailliertes Durchsprechen kritischer Ereignisse kann für die Verarbeitung und die Integration in die eigene Biographie förderlich sein und ist deshalb ein zentraler Aspekt des Lebensrückblickgesprächs.

Aufmerksames Zuhören: Vermitteln Sie dem Erzählenden Ihr Interesse gegenüber seinen Lebensgeschichten. Durch eine offene Haltung und empathische Rückmeldungen wird das Erleben des Erzählenden bestätigt und er wird ermutigt, weiter zu reden.

Umdeutung (Reframen): Um dem Erzählenden zu zeigen, dass ein Ereignis auch anders interpretiert werden kann, wird es umgedeutet. Das heißt, es wird neu formuliert bzw. in einen neuen Kontext

gestellt. Der Erzählende wird ermutigt, von einer neuen Perspektive aus auf das Ereignis zu schauen. Wenn schlechte Zeiten angesprochen werden, sollte herausgearbeitet werden, wie die erzählende Person diese gemeistert hat und wie sie manchmal gute Zeiten nach sich zogen.

Gefühle reflektieren: Nehmen Sie die Gefühle des Erzählenden wahr, die ein Ereignis begleiten, und geben Sie diese dem Erzählenden zurück. Dadurch werden diffuse Gefühle klarer oder erstmals verstanden. Es kann nach Gefühlen gefragt werden.  Auch Fragen nach der Bedeutung von Ereignissen sollten immer wieder gestellt werden („Was bedeutete das für Sie damals?“). 

Umschreiben (Paraphrasieren): Um unklare oder komplexe Details zu klären oder um Verständnis und Empathie auszudrücken, wiederholen Sie Aussagen des Erzählenden in eigenen Worten.

Zusammenfassen: Um das Wesentliche einer Geschichte hervorzuheben und deutlich zu machen, worüber bisher gesprochen wurde, fassen Sie das Erzählte zusammen. Missverständnisse können dadurch sichtbar und somit besprochen werden.

Integrieren: Versuchen Sie, wichtige Ereignisse in den Lebensverlauf einzuordnen. Dies ist besonders wichtig bei Ereignissen, die mit starker Emotion erzählt werden, aber diffus erscheinen.

 

Mögliche Fragen/Probleme:

Abschweifen: Erzählende springen im Gespräch zwischen Lebensphasen oftmals hin und her. Dies ist unausweichlich, weil bestimmte Kindheitserinnerungen zugehörige Erwachsenenerinnerungen hervorrufen. In einem gewissen Umfang sollten Sie dem auch nachgehen, aber vermeiden Sie ein zu starkes Abschweifen. (Beispiel: „Das klingt sehr interessant, darüber können wir später genauer sprechen. Jetzt würde mich zum Thema… interessieren,… .“)

Wie komplett muss der Lebensrückblick sein? Ein vollständiger Lebensrückblick ist nicht nötig. Entdecken Sie jedoch größere zeitliche Lücken oder ausgelassene Themen (möglicherweise gerade die emotional negativ besetzten), könnten das wichtige Hinweise sein, diesen Themen genauer nachzugehen.

Überwältigung durch belastende Gefühle: Es kann in seltenen Fällen vorkommen, dass der Erzählende von belastenden Erinnerungen so überwältigt wird, dass es ihm nicht gelingt, seine Gefühle wieder einzudämmen. Bitte unterstützen Sie den Erzählenden in einem solchen Fall dabei, bei einer nahegelegenen psychosozialen Beratungsstelle oder bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten professionelle Unterstützung zu beanspruchen. 

6. Rahmenbedingungen

Sie benötigen einen Zugang zu einem internetfähigen Gerät. Ein ruhiges Umfeld ist darüber hinaus immer sehr hilfreich. Zusätzlich können hier auch persönliche Gegenstände (Fotos, Musik, Bücher etc.) jederzeit miteinbezogen werden. 

7. Aufbau und Ablauf

Der Digitale Lebensrückblick unterteilt sich in fünf Abschnitte:

  • Kindheit
  • Jugend
  • frühes und mittleres Erwachsenenalter
  • Spätes Erwachsenenalter
  • Zusammenfassung und Bewertung

Die Abschnitte sollten Sie nach Möglichkeit in dieser Reihenfolge bearbeiten. Nehmen Sie sich gerne mehrere Wochen Zeit für die Bearbeitung einzelner Bereiche (Beispielsweise Bereich Kindheit). Je nach eigenem Ermessen können Sie eine halbe bis zu zwei Stunden Zeit für einen Bereich einplanen.

Die Bearbeitung des Bereiches „Zusammenfassung und Bewertung“ ist erst sinnvoll und möglich, wenn Sie die ersten Bereiche beantwortet haben.

Ein „Fertig“ gibt es nicht. Beantworten Sie die Fragen so, dass Sie das Gefühl haben, alles gesagt zu haben. Sie können jederzeit etwas an Ihren Antworten verändern oder ergänzen. 

8. Ausschlusskriterium

Falls Sie durch ihre durchlebten Erfahrungen aktuell sehr belastet sind, würde der Lebensrückblick die Belastung möglicherweise noch verstärken. In solchen Fällen kann eine Aufarbeitung der Erlebnisse im Rahmen einer Psychotherapie sinnvoll sein, der Digitale Lebensrückblick ist hier nicht geeignet. 

9. Durchführung des Digitalen Lebensrückblicks

  1. Login/Registrieren (dann Anmelden): Zunächst ist es notwendig, ein Profil zu erstellen. Hier muss lediglich ein Nutzername und ein Passwort ausgewählt werden. Dann erfolgt die Abfrage des Geburtsdatums, welches den zeitlichen Beginn des Lebenslaufes darstellt.

  2. Kategorien: Nun ist es möglich, verschiedene Kategorien zu bearbeiten. Es bietet sich an mit der Kindheit zu beginnen. Aus verschiedenen Unterkategorien wie Familie oder Schule können nun Fragen ausgewählt und beantwortet werden. Darüber hinaus können Sie auch eigene Fragen hinzufügen. Auch das Hochladen von Fotos ist möglich. Die Antworten und Bilder werden direkt in einen Zeitstrahl eingeordnet, welcher jederzeit einsehbar ist. Nachdem bestimmte Kategorien bearbeitet worden sind, ist dies an einem grünen Häkchen zu erkennen. Nach jedem Verlassen der Kategorie haben sie die Möglichkeit, über die jeweils positiven oder negativen Ereignisse dieses Zeitraums zu reflektieren und diese in den entsprechenden Feldern vermerken. Diese helfen Ihnen bei der abschließenden Zusammenfassung.

  3. Zusammenfassung: Wenn ein bestimmter Anteil an Fragen aus Kindheit & Jugend und dem Erwachsenenalter beantwortet worden ist, ist es möglich zusammenfassende Fragen zum gesamten Lebenslauf zu bearbeiten und eine „Gesamtrückschau“ durchzuführen.

  4. Ausgabe: In einem Zeitstrahl sind alle Texte und Bilder chronologisch geordnet einsehbar. Hier ist es auch möglich, den ganzen Lebensverlauf als PDF-Ansicht zu speichern und auszudrucken.